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Kastration des Rden mit Skrotektomie
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Dr. Dieter Mller
FTA fr Kleintiere, Chirurgie, Augenheilkunde

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Kastration des Rden mit Skrotektomie

Dieter Mller

In Krze
Die Entfernung der Hoden wird bei Rden zur Ausschaltung des Reproduktionsvermgens, der Modifikation charakteristischer dominanter Verhaltensweisen oder aus medizinischen Grnden vorgenommen. Mit dem Eingriff werden die endokrinen Quellen der androgenen Hormone beseitigt, die Mediatoren von Krankheiten wie der benignen Prostatahypertrophie, Perinealhernie und perinealen Adenomen sein knnen. Bei Verlegungen der Urethra ist die Kastration zum Anlegen einer permanenten Urethrostomie im Skrotalbereich indiziert. Die Kastration des Rden wird hufig als kleiner Routineeingriff betrachtet, dennoch sind die Komplikationsraten im postoperativen Verlauf sehr hoch und Gegenstand langer und kostenintensiver Nachbehandlungen. In den meisten Fllen treten die Wundheilungsstrungen in Form von Seromen und Abszessen im Cavum vaginale oder als entzndliche Schwellungen des Skrotums auf. Das Zurcklassen von Wundhhlen nach Exstripation der Testes widerspricht den Regeln der allgemeinen Chirurgie, gleichwohl ist es gngige Praxis. Durch die Skrotektomie knnen postoperative Wundheilungsstrungen nach der Kastration des Rden ausgeschlossen und eine Heilung per primam erzielt werden. Der chirurgische Mehraufwand ist gering und in Anbetracht der ungleich geringeren postoperativen Morbiditt sehr zu empfehlen.

Einleitung
Die Vor- und Nachteile einer Kastration des Rden sind individuell abzuwgen. Aus Verhaltensgrnden wird der Kastrationswunsch meistens vom Tierbesitzer vorgetragen. Die Kastration aus dringenden medizinischen Erfordernissen wie Obstruktionen der Urethra oder benigner Prostataerkrankungen wird hufig von den Tierrzten als kurative therapeutische Manahme vorgeschlagen, wobei nicht selten Vorbehalte der Tierbesitzer anzutreffen sind.

Vorteile einer Kastration des Rden

  • Aggressionsverhalten gegenber anderen Rden nimmt ab
  • Ausschaltung des unerwnschten Geschlechtstriebes
  • permanente Infertilitt
  • geringere Inzidenz von Erkrankungen der Prostata, des Perineums und des perianalen Bereiches
  • lngere Lebenserwartung der kastrierten Rden, statistisch gesehen um ca. zweieinhalb Jahre

Nachteile einer Kastration des Rden

  • Gefahr von Schwellungen und postoperativen Wundschwellungen
  • Neigung zur Entwicklung einer Adipositas bei unverndertem Ftterungsverhalten
  • Entwicklung einer Harninkontinenz
  • Entwicklung eines phlegmatischen Charakters
  • Vernderungen des Haarkleides
  • dauernde Unfruchtbarkeit

Chirurgische Anatomie
Nach dem Descensus testis befindet sich der Hoden in dem Scheidenhautfortsatz (Processus vaginalis) und ist vom Scrotum bedeckt. Bei jeder Kastration sind die Hodenhllen teilweise oder vollstndig zu durchtrennen. Sie sind anatomisch gesehen Ausstlpungen der Schichten der Bauchwand und gliedern sich wie folgt:

Scrotum

  • uere Haut
  • elastische Unterhaut, Tunica dartos
  • Fascia spermatica externa (zweischichtig) als Abspaltung der beiden      Rumpffaszien
  • M. cremaster als Fortsetzung des M. obliquus abdominis internus

Processus vaginalis

  • Fascia spermatica interna
  • Lamina parietalis der Tunica vaginalis

Das Innere des Hodensackes, Cavum vaginale steht mit der Bauchhhle in Verbindung manchmal enthlt es geringe Mengen von Peritonealflssigkeit. Der Samenstrang , Funiculus spermaticus enthlt die testikulre Arterie und Vene, Plexus pampiformis, die Lymphgefe und den Ductus defernes mit begleitenden Gefen und Nervenbahnen. Der Samenstrang wird von den beiden Tunicae des Processus vaginalis umhllt.
Von chirurgischer Bedeutung ist das lockere Bindegewebe, welches sich zwischen der Fascia spermatica interna und der Fascia spermatica externa befindet. Dieses zwischen Skrotum und Processus vaginalis anzutreffende Bindegewebe ist von chirurgischer Bedeutung, wenn von einer bedeckten Kastration" bzw. einer offenen unbedeckten Kastration" gesprochen wird.
Bei der bedeckten Kastration wird der Processus vaginalis und damit die Bauchhhle nicht erffnet, bei der unbedeckten Kastration wird der Processus vaginalis (Fascia spermatica interna und Lamina parietalis der Tunica vaginalis) und damit die Bauchhhle erffnet.
Der Rde besitzt im Gegensatz zum Pferd und Schwein einen eher engen Leistenring, weshalb Darmvorflle und inguinale Hernien nach einer Kastration bei unbedecktem Samenstrang eher eine Raritt darstellen.

Chirurgische Technik
Die Orchiektomie erfolgt beim Rden in Allgemeinansthesie. Zur Offenhaltung der Atemwege ist eine Intubation empfehlenswert. Der Hund wird in Rckenlage gelagert und die Hinterextremitten zur Seite ausgebunden. Bei der chirurgischen Vorbereitung werden die Haare im periscrotalen Bereich geschoren, das Scrotum selbst sollte nur mit Wasser und einer Jodseife gereinigt werden. Alkoholhaltige Antiseptika werden vermieden wegen der groen Gefahr der Entwicklung einer spteren heftigen Kontaktdermatitis. Die Desinfektion kann stattdessen mit milden Jodprparaten (Braunol 2000 ®) erfolgen. Manche Chirurgen decken das nicht hundertprozentig aseptisch prparierte Skrotum mit sterilen Tupfern oder Folien whrend des Eingriffs ab.

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Prskrotale bedeckte und unbedeckte Kastration
Der Hautschnitt erfolgt kranial des Skrotum erfasst dieses jedoch nicht. Seine Lnge ist so bemessen, dass die Testes aus der Wunde herausgedrckt werden knnen. Nach Durchtrennung der Haut wird der erste Hoden vorgedrckt, dabei wird die


vollstndige Vorlagerung von der Fascia spermatica externa limitiert; diese wird scharf mit dem Skalpell durchtrennt. Danach erscheint die Tunica vaginalis als silbrig glnzende Hodenhlle, die bei der bedeckten Kastration nicht erffnet wird. Der Hoden wird so weit wie mglich vorgelagert und das restliche Bindegewebe und das Ligamentum caudae epididymidis vom Samenstrang mit einer Metzenbaumschere abprpariert. Nun sind die Testes und der Scheidenhautfortsatz weit vorgelagtert und der M. cremaster ist auf der Oberflche des Processus vaginalis sichtbar.

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Bedeckte Kastration
Bei Patienten unter 20 kg Krpergewicht wird die bedeckte Kastration empfohlen. Der Scheidenhautfortsatz samt Inhalt wird dreifach abgeklemmt. Oberhalb der proximalsten (dem Inguinalspalt zugewandten) Klemme wird die erste Ligatur mit resorbierbarem Nahtmaterial gesetzt. Nach Entfernen der proximalen Klemme wird nun im Bereich der Quetschstelle eine zweite Ligatur gesetzt. Zwischen den zwei verbliebenen Klemmen wird anschlieend der Processus vaginalis samt Hoden abgesetzt. Einige Autoren empfehlen eine zustzliche Fixation des M. cremaster an den Samenstrang um ein Abgleiten der Ligatur zu verhindern, wenn sich der Muskel kontrahiert.

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Unbedeckte Kastration
Diese Methode wir fr Hunde mit einem Krpergewicht ber 20 kg empfohlen. Die ersten Schritte entsprechen dem Vorgehen bei einer bedeckten Kastration, dann wird jedoch der Processus vaginalis scharf erffnet und der Hoden im eingehllt in das viszerale Blatt der Tunica vaginalis (Epiorchium) mit dem Mesocrchium freigelegt. Die distalen Anteile des Samenstranges samt M. cremaster werden amputiert. Sie werden nur separat ligiert, falls grere Blutungen auftreten. Das Absetzen der Testes erfolgt mit der Drei-Klammer-Technik, wie oben beschrieben. Bei groen Hunden wird bisweilen empfohlen, die Aa. und Vv. testiculares separat von der Massenligatur zu unterbinden. Der Vorteil der unbedeckten Kastration soll in der hheren Sicherheit der Ligaturen liegen, ihr Nachteil in der Erffnung der Bauchhhle und verlngerten Operationszeit. Diese berlegungen erscheinen jedoch in der operativen Praxis eher theoretischer Natur; bei aseptischem Vorgehen bleibt die Erffnung der Peritonealhhle folgenlos.

Ligaturmaterial
Unabhngig von der Kastrationsmethode kommt dem verwendeten Ligaturmaterial hinsichtlich des sicheren Sitzes der Unterbindung besondere Bedeutung zu. Nichtresorbierbare Materialien sind obsolet; unter den resorbierbaren Nahtmaterialien sollte jenen mit rauer Oberflche der Vorzug gegenber beschichteten gut gleitenden Materialien gegeben werden. Ein guter Knotensitz lsst sich besonders mit Dexon®, Surgicryl® oder dem als Ligaturmaterial nach wie vor unbertroffenem Catgut erzielen (letzteres ist fr die Kleintiermedizin wieder im Handel). Die Dimension des Ligaturmaterials sollte eher grozgig bemessen werden; bei groen Hunden z. B. 5- bis 7-metric.

Wundverschluss
Eine Inzision in das Skrotum oder dessen Septum ist bei beiden Techniken unbedingt zu vermeiden, da dies zu heftigen Blutungen und postoperativen Hmatomen bzw. Seromen fhrte. Kleinere Blutungen mssen sorgfltig gestillt werden; anschlieend werden die tiefen und oberflchlichen Lagen der Subkutis mit einzelnen Knopfnhten verschlossen. Dabei wird empfohlen umgebendes Bindegewebe und den M. retractor penis in die Subkutannhte einzubeziehen, um mglichst wenig Hohlraum zu hinterlassen. Der Hautverschluss erfolgt mit nichtresorbierbaren feinen Einzelknopfheften, die nicht zu stark angezogen werden sollten.
Trotz aller dieser Empfehlungen kommt es nach Kastrationen des Rden regelmig zu ausgeprgten postoperativen Komplikationen in Form von Schwellungen und Serombildungen. Der Schwachpunkt beider Kastrationsverfahren liegt in dem Zurcklassen des leeren Cavum vaginale.

Kastration des Rden mit Skrotektomie
Die Amputation des Skrotums bei der Kastration des Rden ist in den beschriebenen Techniken nicht nur von der Theorie her sondern auch von der komplikationslosen Abheilung der Operationswunde berlegen. Es lsst sich in nahezu allen Fllen eine Per-Primam-Heilung erreichen, da keine funktionslosen Hohlrume zurckgelassen werden.
Der Hund in Rckenlage ausgebunden.

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Das Skrotum wird mit einem spindelfrmigen Schnitt an der Grenze zur Kutis des Zwischenschenkelspaltes umschnitten.

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Die dabei auftretenden Blutungen aus den kleinen subkutanen Gefen werden mit bipolarer Koagulation gestillt. Die sorgfltige Blutstillung ist von besonderer Bedeutung fr eine komplikationslose Abheilung.

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Die Kastration selbst kann je nach Prferenz bei bedecktem oder unbedecktem Samenstrang erfolgen.
Nach Erffnung des Processus vaginalis werden die nun freiliegenden Hoden stumpf mit einem trockenen Tupfer vom umgebenden Bindegewebe gelst.
Die Testes werden anschlieend maximal herausgezogen und die erffnete Tunica vaginalis wird in Richtung des Innenschenkels hochgestreift.

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Die vorgelagerten Testes werden angezogen und der Funiculus spermaticus im proximalen Bereich mit drei Klammern abgeklemmt und der unbedeckte Samenstrang ligiert.

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Das Absetzen der Testes erfolgt mit dem scharfen Skalpell. Bei der unbedeckten Kastration ist ein Vorquetschen der Ligaturstelle im Sinne der Drei-Klammer-Technik nicht unbedingt erforderlich.

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Nach Kontrolle des sicheren Sitzes der Ligaturen kann der Ligaturstumpf entlassen werden; er kontrahiert sich spontan in den inneren Leistenring.

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Von besonderer Bedeutung ist der sorgfltige Verschluss des subkutanen Bindegewebes. Eine fortlaufende Subkutannaht mit resorbierbarem Nahtmaterial adaptiert nicht nur den spindelfrmigen Wundbereich sondern verschliet auch zuverlssig alle Hohlrume. Nach Abschluss der Subkutannaht existiert kein Cavum vaginale mehr.

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Die Kutis wird mit Einzelknopfheften verschlossen, die nicht unter Spannung stehen sollten. Als Nahtmaterial eignen sich entweder nichtresorbierbare oder dnne geflochtene resorbierbare Fden (Vicryl®, Surgicryl® etc.). Letztere haben den Vorteil, dass sie vom Patienten besser toleriert werden und auf ein unangenehmes Fadenziehen verzichtet werden kann. Alternativ kann die Kutis auch mit Hautklebern auch Arylat-Basis verschlossen werden.

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Hinweise zur Skrotumamputation
Komplikationen bei der Kastration mit Skrotektomie treten auf, wenn bei der spindelfrmigen Umschneidung des Skrotums zu viel Haut entfernt wird, sodass die Hautwunde unter Spannung steht; besonders dann, wenn die Oberschenkel voll abduziert werden. Die Folge sind Nahtdehiszenzen. Im Zweifelsfalle sollte ein schmaler Saum der Skrotalhaut erhalten belieben.

Nachbehandlung
Nahezu alle Hunde neigen, unabhngig von der Operationsmethode, zu einer postoperativen Automutilation. In den ersten zehn Tagen sind geeignete Halskragen oder Halsmanschetten obligat. Antibiotika und Antiphlogistika verkrzen die Rekonvaleszenzphase signifikant und verbessern das Allgemeinbefinden des Patienten.

Fazit
Die Kastration mit gleichzeitiger Amputation des Skrotum ist Methode der Wahl bei allen Rden und zwar nicht nur bei alten Patienten mit pendelndem Skrotum oder Skrotalekzemen. Ihre Vorteile liegen in einer zu erwartenden komplikationslosen Per-Primam-Heilung sowie einer sicheren Vermeidung von postoperativen Wundschwellungen.

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Als Nachteil kann die Unmglichkeit der kosmetischen Implantation von Hodenimplantaten aufgefhrt werden. Auch wenn der operative und zeitliche Aufwand etwas grer erscheinen als bei der herkmmlichen Kastration, so werden diese Nachteile durch ausbleibende aufwendige Nachbehandlungen aufgewogen. Infizierte Serome des Skrotums im Bereich des leeren Cavum vaginale knnen betrchtliche Ausmae erreichen, die hufig eine Abszessspaltung und das Einlegen von Drainagen erfordern. Die Heilung per sekundam ist langwierig, fr den Patienten uerst unangenehm und kostenaufwendig.

Anschrift des Autors
Dr. Dieter Mller
Fachtierarzt fr Kleintiere, Chirurgie; Augenheilkunde
Kempener Str. 59
D – 52525 Heinsberg
Tel: +49- (0) 2452 - 21870
E-Mail: [email protected]
www.mueller-heinsberg.de

Literaturverzeichnis

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